Rundfunkbeitrag: der Preis einer ungenutzten Chance

Zahlen für das, was ich nicht nutze? Möglich bei den öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland. Das differenzierte „Pay per view“-System sollte dieser Unbilligkeit ein Ende setzen.

Der Rundfunkbeitrag im jetzigen Zustand entspricht nicht den Prinzipien der freien Entscheidung und muss dringend revidiert werden

Der Rundfunkbeitrag im jetzigen Zustand entspricht nicht den Prinzipien der freien Entscheidung und muss dringend revidiert werden

Als das rheinland-pfälzische sowie das bayerische Verfassungsgericht vor einer Woche den Rundfunkbeitrag für verfassungsgemäß erklärten, fühlten sich die Öffentlich-Rechtlichen mit ihrem Finanzierungsmodell nochmals bestätigt. Die Begründung lautete, der Rundfunkbeitrag werde als Gegenleistung für die grundsätzliche Möglichkeit des Rundfunkempfangs erhoben. Ich möchte nicht die Entscheidung der Verfassungsgerichte in Frage stellen und der Judikative die Respektlosigkeit demonstrieren. Was aber verfassungsgemäß ist, ist noch lange nicht unbedingt vernünftig.

Das Hauptproblem bleibt immer noch ungelöst: Viele zahlen den Rundfunkbeitrag, ohne die Dienstleistungen der Öffentlich-Rechtlichen überhaupt zu nutzen. Die so genannte „Möglichkeit des Rundfunkempfangs“ wird nicht von allen wahrgenommen, und trotzdem müssen alle Haushalte, Unternehmen und Institutionen für diese meist ungenutzte Chance zahlen. Das Wesen des Rundfunkbeitrags birgt unter anderem mehrere Kuriositäten: Selbst sehbehinderte und hörgeschädigte Menschen sind nicht vom Beitrag befreit, dafür muss eine komplette Taubblindheit nachgewiesen werden. Außerdem spielt das System oft den Betrügern in die Hände: Seit Mai 2014 wurden mehrere gefälschte Zahlungsaufforderungen zum Rundfunkbeitrag für 2014 (vor allem in Bayern) verschickt. Da das Beitragsservice nicht immer telefonisch erreichbar ist und meistens nicht rechtzeitig auf die Anfragen der Interessenten antwortet, fällt es schwer, die Fälschungen schnell zu klären.

Die erwähnten Gerichtsurteile berechtigen die Bundesländer zu pauschalierenden Regelungen ohne Rücksicht auf Ausnahmefälle, und dies verstößt erstrangig gegen die Rechte des Individuums. Von diesem Verstoß profitiert in erster Linien der Staat: Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) hatte 2013 herausgefunden, dass der haushaltsbezogene Rundfunkbeitrag sogar über eine Milliarde Euro mehr in die Kassen der öffentlich-rechtlichen Anstalten bringt, und eine beträchtliche Gebührensenkung um 73 Cent gefordert. Die Länder einigten sich lediglich auf die Senkung um 58 Cent seit 2015.

Dass so ein Verhalten der Öffentlich-Rechtlichen in anderen Staaten nicht toleriert werden könnte, zeigt auch Israels Beispiel: Dort wurde im März dieses Jahres das staatliche Fernsehen abgeschafft, die Haushaltsabgabe wurde mit der Begründung gestrichen, der Staatssender gehe mit Steuergeldern verschwenderisch um und verkörpere nur begrenzt die Idee von objektivem Journalismus. Auch andere Länder verfügen über ein differenzierteres und somit gerechteres Verständnis zum Rundfunkbeitrag: In Österreich werden keine Gebühren den Autoradios und Mobiltelefonen auferlegt; in der Schweiz unterscheidet man zwischen der Nutzung des Rundfunks und des Fernsehens, davon hängt auch die Höhe des Beitrags ab; in Frankreich wird der Rundfunkbeitrag zwar eingetrieben, als Gegenleistung verzichtete die Gruppe France Télévision aber auf Werbeunterbrechungen bei Spielfilmen. Könnte man etwa in Deutschland erwarten, dass die Öffentlich-Rechtlichen mehr Differenzierungen wagen?

Ob die gewaltigen Geldsummen rational und sachgemäß verwendet werden, möchte ich gerne anzweifeln. Solche Sendungen wie Tatort, Aktenzeichen XY… ungelöst oder Auf der Flucht verkörpern nichts anderes als eine kitschige, verflachte Unterhaltungskultur, die auch die privaten Sender bieten. Dass die Öffentlich-Rechtlichen so viel Geld für die Rechte von Sportveranstaltungen ausgeben, hat nichts mit dem Bildungsauftrag zu tun, den ARD / ZDF seit Anfang ihres Bestehens postulieren. Die Entscheidung der Öffentlich-Rechtlichen, das europaweite TV-Duell zur Europawahl in den quotenarmen Spartensender Phoenix abzuschieben und stattdessen die Bundesliga auszustrahlen, beweist nochmals, dass ARD / ZDF schon längst keinen Schwerpunkt auf den Bildungsauftrag setzen und genauso kommerzialisiert sind wie die privaten Sender.

Das Freiheitsprinzip besagt, dass jeder Zuschauer selbst über die Nutzung der Programme und deren Finanzierung entscheiden sollte. Das „Pay per view“- oder „Pay per listen“-Verfahren wäre somit aus technischer und moralischer Sicht kein Problem und sogar eine erwünschte Lösung. Dass die Öffentlich-Rechtlichen dieses Verfahren noch nicht angewandt haben, zeigt eindeutig, wie leichtsinnig man mit dem Geld der Reality-Show-Skeptiker oder gar der Nichtnutzer umgeht. Eine Entwarnung für die Bildungsverfechter: Ich fordere nicht nach der undifferenzierten Besteuerung. Am Anfang sollte man den Sendungen, die eher eine Unterhaltungs- als eine Informationsfunktion ausführen, Pay-TV-Gebühren auferlegen. Die den Bildungsauftrag erfüllenden Beiträge könnten weiter im Rahmen eines (stark reduzierten) Rundfunkbeitrags finanziert werden. Im Endeffekt wären die Öffentlich-Rechtlichen viel stärker den marktwirtschaftlichen Prozessen ausgesetzt, gleichzeitig würden sie ihre Informations- und Bildungsfunktion behalten.

Solange ähnliche Reformen nicht umgesetzt werden, wird die gesellschaftliche Unzufriedenheit mit dem ungerechten Rundfunksystem weiter bestehen, da wird auch das Urteil eines Verfassungsgerichts nichts ändern. Die weiter sinkenden Einschaltquoten der Öffentlich-Rechtlichen sollten die Politiker beunruhigen: Am Ende kann so das Image der Medien allgemein langfristig ruiniert werden. Denn wenn der Gesetzgeber laut den Verfassungsgerichten generalisieren darf, so dürfen auch die Bürger das verzerrte Finanzierungssystem von ARD / ZDF als das Gesamtbild der maroden Medienlandschaft verallgemeinern.